Geht (m)ein Leben ohne Amerika? Ein Selbstversuch
Eigene Darstellung mit ChatGPT
Gestern sah ich auf Instagram ein Reel, in dem ein Amerikaner dazu aufrief, die außerhalb der USA lebenden Menschen mögen aufhören, amerikanische Produkte zu kaufen oder zu nutzen. Es war sein Hilferuf. Der Amerikaner hatte Sorge, dass er und seine Landsleute vom Rest der Welt gedisst werden und vereinsamen. Er wollte klarstellen, dass längst nicht alle Amerikaner so sind, wie das Land sich gerade zeigt. Er zeigte seine Angst und Hilflosigkeit.
Seine Idee ließ mich nicht los. Abens schlich sich das Reel in meine Gedankenleere, und ich begann, mit dieser Vorstellung zu spielen. Was wäre, wenn ich wirklich aufhören würde, amerikanische Produkte und Technologien zu nutzen? Und bis zu welchem Ausmaß kann ich das durchhalten? Ich nehme euch mit auf diese kleine gedankliche Reise.
Ein erster Blick: Wie viel Amerika steckt in meinem Leben?
Natürlich habe ich keine genaue Kenntnis darüber, welche meiner Geräte tatsächlich amerikanische Bauteile enthalten oder in welchem Maß amerikanische Technologien in Produkten anderer Länder verarbeitet sind. Aber fangen wir einfach einmal mit dem Offensichtlichen an.
Zunächst einmal: Ich würde nicht dort wohnen, wo ich jetzt lebe. Im klösterlichen Zenbuddhistische Studienzentrum im Schwarzwald (ZBZS). Hier habe ich seit eineinhalb Jahren meinen Hauptwohnsitz und würde auch gerne noch bleiben. Aber ohne „Amerika“ würde es gar nicht existieren. Es wurde von einem Amerikaner gegründet.
Mein Notebook ist amerikanisch. Mein Smartphone auch. Und wenn ich mich umschaue... gibt es jede Menge fruchtige Devices hier. Meine gesamte digitale Kommunikation läuft über Plattformen und Dienste aus den USA: Google, Microsoft, Apple, Facebook, Instagram, WhatsApp – all diese Kanäle – einschließlich dieses hier - wären tabu. Ein digitaler Detox wäre also leicht gemacht, allerdings eher aus Notwendigkeit als aus freien Stücken.
Wissenschaft und Technologie: Ein riesiges Loch
Ohne amerikanische Technologie würde mein Alltag sofort komplizierter werden. Viele wissenschaftliche Modelle, Methoden und Techniken, die ich in meiner Arbeit nutze, stammen aus den USA. Forschungsarbeiten aus Harvard, Stanford oder dem MIT – gestrichen. Psychologische, soziologische und naturwissenschaftliche Theorien, die ich nutze? Viele davon amerikanisch. Das Silicon Valley hat über Jahrzehnte das Internet geprägt – kann ich überhaupt noch surfen, wenn ich alle amerikanischen Dienste meide?
Ok, mein Notebook wäre weg.
Und selbst wenn ich mir einen neuen Laptop aus einem anderen Land kaufen würde: Betriebssysteme wie Windows oder macOS fallen weg. Linux? Auch viele seiner Distributionen sind durch amerikanische Firmen oder Entwickler stark beeinflusst. Ein völlig „amerikafreier“ Computer ist praktisch unmöglich.
Meine Notebook-Hülle? Ein Mitbringsel aus New York. Gut, die könnte ich noch ersetzen. Aber Musikstreaming? Spotify (schwedisch, aber mit vielen US-Lizenzen), Apple Music? Weg. Netflix? Amazon Prime? Vergesst es.
Was bleibt übrig?
Nahrungstechnisch müsste ich mich nicht groß umstellen – meine Ernährung besteht kaum aus amerikanischen Produkten. Kleidung? Hm, viele Marken, auch europäische, gehören inzwischen amerikanischen Konzernen. Und was ist mit Outdoor-Kleidung? Patagonia? The North Face? Alle aus den USA. Schuhe? Viele große Sportmarken? Alles raus.
Auto? Obwohl ich kein amerikanisches Auto fahre, steckt in fast jedem Fahrzeug ein Stück amerikanische Technik, sei es durch Patente, Software oder Sensoren. Öffentliche Verkehrsmittel? Auch hier sind GPS-Systeme und Software oft von US-Firmen entwickelt worden.
Der kulturelle Einfluss: Wo ziehen wir die Grenze?
Auch kulturell ist ein Leben ohne amerikanischen Einfluss schwierig. Keine Hollywood-Filme mehr, keine amerikanischen Serien, keine Musik aus den USA. Wie viele Bücher, die ich lese, stammen von amerikanischen Autor:innen? Und wenn ich mich von amerikanischer Kunst, Literatur und Popkultur lossage – wie viel bleibt dann noch?
Fazit: Wie sehr bin ich oder könnte ich und könnten wir wirklich unabhängig sein?
Der Versuch, ein Leben ohne Amerika zu führen, selbst wenn ich nur spielerisch an der Oberfläche kratze - offenbart etwas Offensichtliches: Unsere Welt ist längst mehr nicht aus Einzelteilen zusammengesetzt, sondern in einem undurchdringbaren Netz aus Abhängigkeiten miteinander verwoben. Wir mögen glauben, dass wir selbstbestimmt wählen können, was wir konsumieren, doch die Realität zeigt, dass (zumindest) moderne Gesellschaften kaum ohne die Einflüsse anderer existieren können – sei es technologisch, kulturell oder wissenschaftlich.
Ein Leben ohne amerikanische Produkte und Dienstleistungen ist nicht nur schwierig, es ist – zumindest für mich und in meiner Lebensphase – nicht denkbar. Irgendwie scheint mir genau das eine wertvolle Erkenntnis: Die Welt ist nicht mehr auf nationale Identitäten reduzierbar. Wenn wir das eine ablehnen, verlieren wir womöglich mehr, als uns bewusst ist. Am Ende „riskieren“ wir unsere eigene, jahrelang mühsam konstruierte Identität. (Bei der wir regelmäßig feststellen, dass sie uns ohnehin mehr behindert als fördert.)
Also: Amerika aus unserem Leben zu verbannen kann nicht das Ziel sein. Aber wir können in jedem Moment kritisch zu hinterfragen, welche Werte, Innovationen und Ideen wir übernehmen – und welche nicht. Was nehmen wir an? Was hinterfragen wir? Und wie gestalten wir ein Miteinander, das über Ländergrenzen hinausgeht?
Vielleicht lag in dem Hilferuf aus dem Reel mehr Wahrheit, als es auf den ersten Blick schien. Ich für meinen Teil muss mit echtem Bedauern und auch Ernüchterung feststellen, dass ich seinem Appell nicht ausreichend folgen kann. Meine gute Absicht werde ich – aus reiner Neugierde und im Rahmen des Selbstversuches zeigen und „Amerikafasten“. Für mich heißt den durch das Klosterleben ohnehin reduzierten Konsum ganz zu eliminieren. AKA: Coca-Cola, M&M’s, Mars, Snickers, Twix, Hershey’s, Pringles, Lay’s, Heinz Ketchup, Tabasco, Domino’s Pizza, Kellogg’s Frosties ... und vor allem mein täglicher Starbucks-Nespresso.
Wir würde sich dein Leben ohne den Konsum amerikanischer Produkte verändern?
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